Ich möcht ein solcher werden wie einmal ein andrer gewesen ist.


Bild vom Plakat

Mit diesem Satz beginnt Kaspar im gleichnamigen Stück von Peter Handke zu sprechen. Ohne Ahnung von dessen Bedeutung wiederholt er ihn immer wieder, denn es ist sein einziger. Der historische Kaspar Hauser soll 1828 bei seinem mysteriösen Auftauchen in Nürnberg einen ähnlichen Satz von sich gegeben haben: „A söchtener Reuter möcht i wern, wie mein Voater gwen is.“


Doch das Stück Kaspar – betont der Autor – zeigt nicht, wie es wirklich ist oder wirklich war mit Kaspar Hauser. Es zeigt, was möglich ist mit jemandem: wie jemand durch Sprechen zum Sprechen gebracht werden kann. Das Stück könnte auch Sprechfolterung heißen. Kaspar habe auch keine Ähnlichkeit mit einem Spaßmacher. Er gleiche vielmehr Frankensteins Monster. So ist seine Art zu gehen eine sehr mechanische, künstliche, eine, die es nicht gibt. Alles an ihm ist theatralisch. Er ist eine theatrale Kunstfigur. Auf den ersten Blick schon müsse laut Bühnenanweisung alles theatralisch aussehen, sodass die Zuschauer sofort erkennen, dass sie keine Geschichte miterleben, sondern einen theatralischen Vorgang sehen.

Bühnenfiguren sind immer Kunstfiguren, unabhängig von der jeweiligen Form des Dramas, ob es sich um realistisch-psychologisches Theater, ein Thesenstück oder historisch-dokumentarisches Theater handelt, oder auch in einer Erzähldramaturgie, die Textbausteine wie Momentaufnahmen, oder Realitätsfragmente lose aneinanderreiht. Die Vielfalt an möglichen Figurenentwürfen scheint unbegrenzt, von Einzelporträts und Charakterstudien über stereotype, von jedem individuellen Merkmal befreite anonyme Bühnengestalten bis zu namenlosen Sprechern, die nur mehr durch Buchstaben oder Ziffern als unterschiedliche Stimmen gekennzeichnet sind.


Die Transformation des Stückes ins Theater, das Zusammenwirken aller am Entstehungsprozess einer Aufführung Beteiligten kreiert schließlich eine Wirklichkeit an sich – auch die der Figuren –, erschafft geschlossene künstlerische Eigenwelten, die aber Schnittstellen zum Leben und zur Erfahrung der Zuschauerinnen und Zuschauer aufweisen.


Gisela Holzner

Eintritt Frei, ausgenommen die Premiere "Dunkel lockende Welt" in den
Kammerspielen (Tiroler Dramatikerfestival)

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