Lüge und Missverständnis

Bild vom Plakat

Mit einem Bild versucht der Analytiker Robert Lenobel in Michael Köhlmeiers Roman „Abendland“ den Begriff Lüge zu umschreiben: „ … einige Spreißel der Realität zu einem Zeltgerüst zurechtzubiegen, über das die luftdichte Plane einer Geschichte gelegt werde, um darunter so zu tun, als ob.“ Das sei Lüge.

Täuschungsabsicht, bewusstes Zurechtbiegen der Realität oder Verdecken der Wirklichkeit lassen sich ohne Zweifel der Lüge zuordnen. Aber es gibt auch ein unbewusstes Lügen wie z.B. das Phänomen Erinnerung zeigt. Viele weitere Fragen stellen sich, die nicht eindeutig zu beantworten sind; ob beispielsweise Verschweigen, Ausweichen vor der Wahrheit oder deren Beschönigung in die Kategorie der Lügen gehören bzw. wo (sich) die Grenzen verlaufen. Die Unklarheiten beginnen bei unserer Wahrnehmung der Wirklichkeit, die durch die individuelle Perspektive jedes einzelnen in eine bestimmte Blickrichtung gelenkt wird und ausschnitthaft bleibt. Im Grunde handelt es sich um Wahrnehmungssplitter.

Die Literatur kann Wirklichkeit in ihrer verwirrenden Vielfalt in Bilder fassen oder immer wieder neu und anders erfinden, sie kann Parallelwelten erschaffen. Der Not des Lügens kann man also die Kunst des Lügens gegenüber stellen, der realen Art zu lügen eine literarische. Das wäre Lüge als Spiel, die Stilmittel Zuspitzung und Übertreibung Varianten davon, weniger um zu täuschen als um das Publikum zu fesseln (F. Hoppe). Es gibt natürlich auch Autorinnen und Autoren, die die Leserschaft absichtlich in die Irre führen – und das mit Vergnügen – oder Unsinniges und Unverständliches produzieren. Doch womöglich sind diese vorsätzlichen Missverständnisse nur Provokation, um Idealvorstellungen von absoluter Wahrheit, totalem Verstehen, wahrer Erkenntnis … in Frage zu stellen?

Gisela Holzner

 

Die Gespräche finden im Ensembleproberaum des Tiroler Landestheaters statt,
Freitag, 15.5. und Samstag, 16.5., jeweils von 10.00 – 12.00 und von 15.00 – 17.00 Uhr.
(Direkt erreichbar mit dem Lift, Eingang Sowi-Durchgang neben dem Abo-Büro)
Einlass jederzeit, und immer willkommen.

Die Lesungen im ORF Tirol kulturhaus am Donnerstag, 14.5. und Samstag, 16.5.,
beginnen jeweils um 20.15 Uhr.

Eintritt frei

Die Innsbrucker Wochenendgespräche werden gefördert durch die Kulturabteilungen von Stadt Innsbruck und Land Tirol, Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur sowie Hypo Tirol Bank; in Zusammenarbeit mit dem ORF Tirol und dem Tiroler Landestheater.

>> Innsbrucker Literaturkalender

© 2003-2009 Innsbrucker Wochenendgespräche - E-Mail - Impressum

Valid XHTML! Valid CSS!