Ich bin zum vierten Mal hier. Eingeladen zu den Innsbrucker Wochenendgesprächen. Vielen Dank dafür. Das erste Mal im Jahr 2000. Mein erstes Büchlein war gerade erschienen, mein Literaturprofessor hatte mich eingeladen, weil er an mich als Autor geglaubt hat. An das Thema des ersten Mals kann ich mich nicht mehr erinnern. Thema beim zweiten Mal war: Erotik in der Literatur, Thema beim dritten Mal war: Angst. Und nun die vierte Einladung. Wieder hab ich mich gefreut, dabei sein zu dürfen, aber ich habe auch schmunzeln müssen. Als ich hörte, welches Thema die Verantwortlichen ausgesucht haben, habe ich mich sehr amüsiert. Auch die „Innsbrucker Wochenendgespräche“ kommen jetzt auf den Krimi, habe ich mir gedacht. Das klingt jetzt im ersten Moment ähnlich wie: „… kommen auf den Hund“. Die altehrwürdige Literaturveranstaltung begibt sich in die Niederungen des Krimis. Ein Genre wird bedient, das man lange nicht ernst genommen hat.

Aber Krimi macht Quote. Krimi ist beliebt, Krimis füllen die Kassen der Verlage, ermöglichen Cross-Finanzierungen für weniger gängige Literatur, für Lyrik. Mittlerweile machen auch große Literaturverlage wie Suhrkamp Krimis, noch vor einigen Jahren wäre das unvorstellbar gewesen. Krimi kann und will man also nicht länger ausklammern, auch die Literaturwissenschaft tut das nicht. Weil man versucht, den Leser ernst zu nehmen, weil man das Leseverhalten analysiert, die Wünsche des Publikums hinterfragt. Was geht? Was geht nicht?
Warum lesen wir Krimis? Ist es die Auseinandersetzung mit den Schattenseiten dieser Welt? Das Kokettieren mit dem Bösen? Der Reiz, das Gute für einige Lesestunden hinter sich zu lassen und in den Abgründen anderer herumzutollen? Was auch immer es ist: Die Menschen lieben Krimis. Krimi boomt. Krimi ist salonfähig geworden. Und eben mittlerweile auch bei den Wochenendgesprächen angekommen. Danke dafür.

Wie gesagt, ich durfte bereits einige Male mitreden hier – über große Themen der Literatur. Viel Schönes wurde gesagt, aber auch viel heiße Luft wurde geredet. Wie das manchmal so üblich ist bei solchen Veranstaltungen. Theorien über das Schreiben. Todlangweilig kann das sein, unbefriedigend. Ich habe mich bei diesen Diskussionen  nie so recht wohl gefühlt, Autorinnen und Autoren haben sich hier gebrüstet, gezeigt, was sie alles wissen, was sie alles zitieren können, wie gebildet sie sind. Intellektuell großes Kino war das manchmal. Und trotzdem war ich enttäuscht. Weil die Gespräche so weit weg führten von den LeserInnen, weil die wenigsten gerne über Emotionen sprachen, darüber, was Literatur noch soll und kann und darf.

Ich finde nämlich, Literatur soll rühren. Ich wollte das immer mit meinem Schreiben. Will es heute noch. Menschen bewegen, sie fesseln. Ich will, dass das, was ich schreibe, die Menschen in Atem hält, sie zum Weinen bringt, zum Lachen. Ich möchte meine LeserInnen nicht nur zum Denken anregen, ich möchte nicht nur ein Sittenbild zeichnen, ein soziales Problem aufzeigen, politische Missstände anprangern, ich möchte meine LeserInnen vor allem zum Fühlen anregen. Ich möchte Welten erschaffen, Figuren, die mitreißen, die man lieben kann, ich möchte Geschichten erfinden. Und dabei ist es mir völlig egal, in welchem Genre diese Geschichten angesiedelt sind. Ob es ein Liebesroman ist, ein Entwicklungsroman, ein Gesellschaftsroman, oder eben ein Kriminalroman. Am Ende geht es um eines: Ich möchte meine LeserInnen unterhalten.

Sehr wichtig dabei ist mir aber natürlich, wie ich das mache. Es geht auch hier um Literatur. Und Literatur heißt Sprache für mich. Der Umgang damit, die Liebe dazu. Rhythmus – Klang – Form. Der gute oder schlechte Umgang mit der Sprache macht den Unterschied aus. Was ist ein gutes Buch, was ein schlechtes? Eine Genretrennung ist hier kein Qualitätskriterium. Kriminalroman oder Nicht-Kriminalroman. Es gibt Schund auf beiden Seiten, Unmengen davon. Am Ende entscheidet aber literarische Qualität über ein gutes oder ein schlechtes Buch. Diese absurde Trennung zwischen U und E habe ich nie verstanden. Wo hört E auf und fängt U an? Wer hat sich das überhaupt ausgedacht? Bis heute verstehe ich diese Eitelkeit nicht, mit der geurteilt wird, diese Überheblichkeit, diesen absurden Wunsch, überhaupt eine Trennlinie ziehen zu müssen. Zwischen ernst und unterhaltend. Darf gute Literatur nicht unterhalten? Darf ein Kriminalroman nicht substantiell sein? Politisch sein? Philosophisch sein? Doch er darf.
In der Literatur ist alles erlaubt, es gibt keine Grenzen. Und deshalb schreibe ich. Unter anderem Krimis. Es macht nämlich großen Spaß, sie zu schreiben. Menschen damit glücklich zu machen. Und darum geht es. Für mich zumindest.

Bernhard Aichner

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