Fleur Jaeggy

Geboren in Zürich, lebte lange Zeit in Rom, seit 1968 lebt sie in Mailand. Schriftstellerin und Übersetzerin; arbeitete u.a. über Marcel Schwob, Thomas de Quincey, John Keats und Robert Walser. Zahlreiche Beiträge in Literaturzeitschriften und Anthologien. Ihre Bücher in ital. Originalfassung sind bei Adelphi (Mailand) erschienen, in deutscher Übersetzung:Wasserstatuen. Matthes & Seitz 1984. Die seligen Jahre der Züchtigung. Novelle. Berlin Verlag 1995. Die Angst vor dem Himmel. Erzählungen. Berlin Verlag 1997. Proleterka. Roman. Berlin Verlag 2002.

Als sie noch klein war, musste sie sich von Johannes trennen. Kinder hören auf, sich für ihre Eltern zu interessieren, wenn sie verlassen werden. Sie sind nicht sentimental. Sie sind leidenschaftlich und kalt. In gewisser Weise lassen manche ihre Empfindungen, ihre Gefühle fallen, als wären es Gegenstände. Mit Entschlossenheit, ohne Trauer. Sie werden Fremde. Manchmal Feinde. Sie sind nicht mehr die im Stich gelassenen Wesen, sondern sie selbst treten innerlich den Rückzug an. Und gehen fort. In eine finstere, fantastische und jämmerliche Welt. Und doch tragen sie manchmal Glückseligkeit zur Schau. Wie ein Seiltänzerkunststück. Die Eltern sind nicht notwendig. Wenig ist wirklich notwendig. Manche Kinder regieren sich selbst. Das Herz, ein unverderblicher Kristall. Sie lernen vorzutäuschen. Und die Fiktion wird der aktivste, realste Teil, verführerisch wie Träume. Sie tritt an die Stelle dessen, was wir für wahr halten.

(Proleterka)

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