Portrait Sunil Mann
Photo: Eke Miedaner

Sunil Mann


geboren 1972 als Sohn indischer Einwanderer im Berner Oberland, lebt in Zürich. Arbeitet als Flugbegleiter bei der Fluggesellschaft Swiss. Autor von mehrfach prämierten Kurzgeschichten und Kurzkrimis. Fangschuss (2010), sein erster Kriminalroman mit dem indischstämmigen Privatdetektiv V. J. Kumar, wurde mit dem Zürcher Krimipreis ausgezeichnet. Es folgen in dieser Serie die Bände Lichterfest (2011), Uferwechsel (2012), Familienpoker (2013) und zuletzt Faustrecht (2014).


Vor der Absperrung war ein Tumult ausgebrochen, laute Rufe waren vernehmbar. Ein eilig fabriziertes Transparent wurde hochgehalten: Für ein Altstetten ohne Asylzentrum war in krakeligen Buchstaben daraufgesprayt. Weiter hinten wurden Pappschilder mit ähnlichen Aufschriften hochgereckt. Mörderasylanten raus! forderte jemand unter fataler Verdrehung der Tatsachen, die Kameras fingen die zunehmend aufgeheizte Stimmung dankbar ein. Erste Parolen wurden skandiert und die Polizisten sprachen alarmiert in ihre Walkie-Talkies, ohne dabei die unruhig wogende Menschenmenge aus den Augen zu lassen. 


Mit mir im Schlepptau stürzte sich José in das Gewühl und hielt Ausschau nach seinen Mitarbeitern, die er ganz vorne, im Zentrum des Geschehens, vermutete. Auf dem Weg dorthin wurden wir immer wieder grob angerempelt und mehr als einmal abgedrängt. Hier, mitten im Mob, herrschte eine fiebrige, aggressive Atmosphäre. Wenn nicht bald jemand die Leute beruhigte, würde die Situation in Kürze außer Kontrolle geraten.


Aus: Faustrecht, grafit, 2014


© 2003-2016 Innsbrucker Wochenendgespräche - E-Mail - Impressum