Portrait Martin R. Dean
Foto: Claude Giger

Martin R. Dean

geboren 1955 in Menziken, Schweiz. Sohn einer Schweizerin und eines karibischen Vaters aus Trinidad. Studium der Germanistik, Ethnologie und Philosophie. Lebt als Schriftsteller, Journalist und Essayist in Basel. Veröffentlichte zuletzt die Romane Meine Väter (2003), Ein Koffer voller Wünsche (2011), Falsches Quartett (2014) sowie den Essay Verbeugung vor Spiegeln. Über das Eigene und das Fremde (2015).

Das Fremde ist am Verschwinden. Die Fähigkeit, es noch auszuhalten, verkümmert in dem Maße, wie die globale Freiheit zunimmt. Das Fremde ist zum Kleingeld geworden im alltäglichen Gezänk politischer Parteien um die Ausländer, denen die Fremdheit durch „Integration“ genommen werden soll. Sie sollen sein wie wir, sie sollen sich anpassen und jeden Rest abweichenden Verhaltens verlieren.
[…] Heimat gibt es, in der Tat, im Überfluss. Aber was wird, wenn unser Bewusstsein nur noch Bekanntes wiederkäut? Das Wagnis der Differenz, auf das wir mit unserem Denken die letzten fünfzig Jahre gebaut haben, scheint verloren zu gehen.
Die Austreibung des Fremden bringt kein Heil, nicht mehr Vertrautheit und nicht mehr Gerechtigkeit; sie beraubt uns lediglich unserer Fähigkeit zur Toleranz. Sie nimmt uns ein Rätsel, eine Dimension der Erfahrung weg, die im Staunen, in der Überraschung oder im Schock ihren Ausdruck findet. Und in der Verwandlung.

Aus: Verbeugung vor Spiegeln. Über das Eigene und das Fremde, Jung und Jung 2015

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