Bild ist auch nur ein Wort.

Kreierende Prozesse müssen sich immer vorbereiten, sich anbahnen dürfen. Sie brauchen Zeit und Ursache. In der Zeit müssen wir sie wollen. Die Ursache müssen wir aushalten, die ganze Zeit über. Ich denke, dass so Evolution passiert.

Ich drücke meine Gedankenbilder mit Poesie aus. Sie fühlen sich zuerst nach ‚Energie-Bildern‘ an, nach dissoziierenden Farben mit Massen, bewegend, fließend. Sie dürfen da, wo sie sind nicht bleiben, wollen wachsen. Sie sind unkontrollierbar und real und haben rein gar nichts mit dem abgöttischen Wunderformat zur Bekämpfung unserer Vergänglichkeit zu tun: dem JPEG. Jenes Lichtgefängnis, das in scheinbar über 20.000 Milliarden Fällen durch komplexe Stromdefinitionen ehemalige Realitäten gefangen hält. Milliarden Bildproduzenten haben vermeintliche Gegenwärte zu maschinellen Erinnerungskonserven umgewandelt: Qualitäten, zu 60%, 70%, 90%, lossless als Pixel geladen, Zeile für Zeile, sind sie der ultimative Fluchtversuch vor unserer menschlichen Existenz. Es sind Abbilder unserer ausgeträumten Zukunft mit verschwindend kurzer Überlebensdauer im Welten-Lauf, verfälscht und sperrig reproduziert.

Wenn wir uns Menschen als (wenn auch kleinen) Teil eines großen Ganzen sehen, dann gehört das JPEG sicher nicht zu unserer intuitiven, evolutionären Grundausstattung. Die Sprache jedoch schon. Sie bedingt Imagination und Erinnerung. In der Sprache mischen sich Rhythmus und Melodie mit Bildern, Klangfarben, Farbklängen und Farbtönen. Die Sprache hat den Schlüssel, um Bildern irgendwie nur nahe zu kommen. Sie erklärt uns Bildsprache, sie spricht in Sprachbildern, schweigt für die Malerei oder erzählt uns den Moment ohne Worte. Durch sie sind wir vielleicht im Stande, unsere Existenz zu begreifen, unsere Bilder zu verstehen. Vielleicht macht die Fähigkeit zur Sprache es uns erst möglich, Bilder zu generieren.

Sprache braucht Zeit, kostbare Zeit. Wir haben die letzten Millionen Jahre damit verbracht, die Welt zu spüren, als kommunizierende Pilze, Fische, später als Pilzesammler und als Fischer. In den sozial-digitalen JPEG-Zentrifugen haben wir jedoch nicht mehr die Zeit für Sprache. Inmitten dieser unendlichen Bilderflut bleiben unsere eigenen Bilder auf der Strecke. Mal sehen, wie viel Zeit wir benötigen, um sie wieder zu finden. Und ob dann noch eines dieser JPEGs uns die Welt erklärt.

Arno Dejaco

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